Quartalsbericht 4. Quartal 2022
Ein aussergewöhnliches Jahr
Die wenigsten Marktteilnehmer hatten in ihren Prognosen für 2022 auf der Agenda, was dann eingetreten ist. Kaum ein Jahr hat den Aktienmärkten eine derartige Talfahrt beschert wie 2022.
Die Investoren hatten nach der Normalisierung der Covid19-Folgen zuerst noch Hoffnung geschöpft. Die Wirtschaft hielt sich zudem erstaunlich gut – wobei die Staaten und Notenbanken kräftig die Notenpresse angetrieben haben. Anfang 2022 kamen erste Signale von der US-Notenbank für eine weniger restriktive Zinspolitik. Und vom russischen Angriff auf die Ukraine und der darauffolgenden Explosion der Energiepreise waren vor allem in stärkerem Ausmass die westeuropäischen Länder betroffen. Doch auch in den USA nahm die Inflation zunehmend Fahrt auf und zwang die US-Notenbank Fed, mit ersten deutlichen Zinserhöhungen gegenzusteuern. Diese zogen vor allem die Technologie-Börse Nasdaq mit einem dicken Minus von 33.10% bis zum Jahresende in Mitleidenschaft, da dort die zahlreich gelisteten Technologieunternehmen zur Finanzierung ihres Wachstums stärker als Firmen aus traditionellen Branchen auf Kredite angewiesen sind. In Europa traf es die zyklischen Titel und die Aktienkurse klein- und mittelgrosser Unternehmen am härtesten. Die Unsicherheiten über den Kriegsverlauf und weiterhin gestörte Lieferketten zwangen die Unternehmen ihre Jahresprognosen zu senken, was der sowieso schon nervöse Markt sofort mit kräftigen Kursabschlägen quittierte.
Der als träge und defensiv betitelte Schweizer Aktienmarkt wies im abgelaufenen Jahr gegenüber den Märkten in Europa mehrheitlich eine Underperformance aus. Der Swiss Market Index (SMI) kommt mit minus 16.67% deutlich schlechter weg als der Euro Stoxx 50 mit minus 11.74% und der US-Index Dow Jones (-8.78%). Wenigstens den breiten amerikanischen S&P 500 (-19.44%) sowie den Technologie-Index Nasdaq 100 (-33.10%) hat der Schweizer Leitindex deutlich geschlagen.
Ein kurzer Blick auf einige Schweizer Aktien zum Jahresende 2022 zeigt:
Zu den wenigen Gewinnern bei den grosskapitalisierten Werten gehören Novartis, Holcim und UBS mit allesamt überschaubaren Zugewinnen im mittleren einstelligen Prozentbereich, die Ausnahme bildet Zurich Insurance mit +11.99%. Im übrigen Marktsegment können sich Meier Tobler (+126.11%) oder Burckhardt Compressions (+29.32%) mehr als nur sehen lassen. Die Aktie der Credit Suisse ist nach einem fünften Quartalsverlust in Folge und wegen der Kapitalerhöhung und den Nachrichten zu den Kundengeldabflüssen wenig überraschend die schlechteste Aktie im SMI (-66.43%). Auch die auf Privatmarktanlagen spezialisierte Partners Group muss einen kräftigen Taucher um 45.10% verdauen, ebenso der Zahnimplantate-Spezialist Straumann mit minus 45.12%.
Aussergewöhnlich am Jahr 2022 war auch, dass alle Anlageklassen von Verlusten betroffen waren. Ausser den Rohstoffen (Energie) bot kein Sektor einen Schutz vor Verlusten. Schweizer Obligationen haben mit -10% fast so stark an Wert verloren wie Aktien. Dies ist bei Obligationen doch eher selten. Anleihen sollen als sicher geltende Anlageklasse das Vermögen in schwierigen Zeiten stabilisieren. Das funktionierte im Jahr 2022 aber nicht, da die Kapitalmarktzinsen wider Erwarten stiegen. Und auch der langjährige Höhenflug von Schweizer Immobilienanlagen kam mit einem Wertverlust von rund 17% zu einem Ende. Einzig wer auf Rohöl und einen starken Schweizer Franken gesetzt hat, konnte mit Renditen im einstelligen Bereich zufrieden sein.
Was erwartet uns im Jahr 2023?
So klar die Marktteilnehmer und Analysten ihre Meinungen vor zwölf Monaten für 2022 vor sich hatten, so unklar erscheint aktuell die Ausgangslage für eine Einschätzung der Märkte im Jahr 2023. Tatsache ist, dass der Markt weiterhin mit Adleraugen auf die Inflationszahlen und folglich auf den Wirkungsgrad der Notenbankpolitik schielen wird. Und eine Rezession – ob in einer abgeschwächten Form oder etwas hartnäckiger – wird ebenfalls vom Markt erwartet. Auch eine grössere Wachstumsflaute kann nicht ausgeschlossen werden. Eine solche würde dann zwar wieder durch eine restriktivere Notenbankpolitik sowie Zinssenkungen bekämpft, aber grössere Bremsspuren in den Bilanzzahlen der Unternehmen könnten in der Folge nicht ausgeschlossen werden. Erste Indikationen liefern die ersten Unternehmen bereits Mitte Januar anlässlich der Präsentation ihrer Jahresergebnisse und Prognosen für das neue Jahr. Die nächsten Wochen werden einmal mehr die Nerven der Anleger strapazieren.
Die Märkte haben bereits stark korrigiert. Damit sollte ein grosser Teil der erwarteten, schlechten Nachrichten wie Zinserhöhungen und Rezessionstendenzen in der Eurozone bereits eingepreist sein. Die vollen Gasspeicher Deutschlands und die vielen warmen Wochen dieses Winters reduzieren die Ängste um die europäische Energieversorgung. Der Gaspreis an den Terminmärkten bewegt sich wieder auf dem tiefen Niveau vom Februar 2022. Für einen Ausbau der Aktienpositionen ist es wahrscheinlich dennoch etwas früh. Die Inflation hält sich in der Eurozone weiterhin hartnäckig hoch und die Zentralbanken bleiben aktiv. Und nach wie vor sind die Risiken einer zusätzlichen Eskalation der Konflikte in der Ukraine und um Taiwan hoch. Hier ist Geduld gefragt. Das aktuelle Umfeld ist wenig inspirierend für eine nachhaltige Erholung an den Finanzmärkten. Eine längere Phase von ereignislosen Handelstagen und den Erwartungen entsprechenden Konjunktur- und Wirtschaftsdaten wäre hilfreich, damit wieder Ruhe einkehrt und eine nachhaltige Bodenbildung des Marktes ermöglicht würde. Hört man sich am Markt um, dann sehen viele Marktteilnehmer erst in der zweiten Jahreshälfte Aufwärtspotential. Bis dahin sollte sich eine konstant tiefere Inflation etabliert und eine Intensivierung des Handels mit China infolge der inländischen Covid19-Lockerungen dem Weltmarkt geholfen haben.
Wie verhalten wir uns in diesem Umfeld?
Die Lehren aus den unzähligen Krisen an den Finanzmärkten sind wohl immer dieselben. Wenn der Markt unberechenbar und wenig visibel ist, dann sollte der Anleger seiner gewählten Anlagestrategie treu bleiben und keine unüberlegten Handlungen in seinem Portfolio umsetzen. Die Anlegerrendite entscheidet sich nicht während Krisen, sondern in der richtigen Positionierung während der positiven Marktphasen. So halten wir aktuell an einer neutralen Aktiengewichtung fest. Gelegenheiten zum Kauf von Qualitätstiteln werden wir selektiv wahrnehmen. Eine leichte Übergewichtung der Liquidität scheint uns weiter angebracht. Zunehmend wird auch der Anleihensbereich wieder attraktiver und wir halten die Augen für Opportunitäten in diesem Bereich offen.
Vielleicht ist es ein gutes Omen, dass wenn schon die letztjährige optimistische Erwartungshaltung auf das neue Börsenjahr ins Negative führte, so dass der heutige grosse Pessimismus rasch zu einer überraschenden Trendwende führen könnte!
Indizes per 31.12.2022 (in Originalwährung)
SMI -16.67%
SLI -20.72%
Euro Stoxx 50 -11.74%
S&P 500 -19.44%
Dow Jones -8.78%
Nikkei 225 -9.37%
EUR/CHF -4.44%
USD/CHF +1.55%
Gold USD/oz +0.17%
WTI Crude Oil/USD +6.71%